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Wir Kinder vom Welttheater

Von Trudi von Fellenberg-Bitzi

Interview mit ISSV-Mitglied Karl Hensler

Als Kinder haben wir auf der Matratze «Welttheater» gespielt. Der Hut des Vaters war die Krone, die Wolldecke der Purpur des Königs.


Am 11. Juni 2024 um 20.45 Uhr findet auf dem Klosterplatz in Einsiedeln zum 17. Mal die Premiere des Welttheaters statt. Für das 100-Jahr-Jubiläum seit der ersten Aufführung hat die Welttheatergesellschaft den Autor und Georg-Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss sowie den Regisseur Livio Andreina mit der Realisierung beauftragt.

Das ganze Spielvolk, über 500 Mitwirkende – Männer, Frauen, Kinder aus dem Klosterdorf – gehören seit Jahrzehnten dazu. Für manche eine Lebensaufgabe, die sich in verschiedenen Rollen durch viele Spielperioden ziehen kann.

ISSV-Mitglied Karl Hensler kennt Geschichte, Rollen, verschiedene Regisseure, Texte, Tanz und Chor und weiss darüber unglaublich viel zu erzählen.

  • Karl Hensler, 1941 in Einsiedeln geboren und aufgewachsen. Als gelernter Buchdrucker (später Offsetdrucker) arbeitete er von 1985 bis 2001 in der Bogenmontage der Zürichsee Druckerei in Stäfa. Über dreissigjährige Mitgliedschaft bei der Feuerwehr, dem Männerchor und beim kantonalen historischen Verein. Freier Mitarbeiter beim Einsiedler Anzeiger. Ab 1987 literarisch tätig und seit 1996 Mitglied beim ISSV.  Karl Hensler ist Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er lebt mit seiner Partnerin Barbara in Einsiedeln.

    Am 21. April 2024, um 11 Uhr, erzählt Karl Hensler – anlässlich des Schwyzer Kulturwochenendes im «CafeLaden» Schwyz – über Erfahrungen und Erlebnisse aus seiner rund 60-jährigen Aktivzeit beim Welttheater.

«Streift ab die Masken, misstrauet der Macht, lasst dienen das Wissen, verströmet die Liebe, sucht euer selbst und werft es zur Saat aus.»

 

Trudi von Fellenberg-Bitzi:
Wo wirst du am 11. Juni 2024 sein?


Karl Hensler:
Als Ehrenmitglied erhalte ich in der Regel zwei Freikarten.

 


Wie bist Du zur Ehrenmitgliedschaft gekommen?

Das ist eine lange Geschichte. Die ganze Familie, auch unsere Verwandten, waren immer dabei. Es begann 1924, als das Welttheater zum ersten Mal aufgeführt wurde. Bereits da wirkte mein Vater als «Königstrompeter», die Mutter als «Singengel». Ab 1930 bis 1965 spielte mein Onkel Toni siebenmal die Rolle des «Bettlers», ein anderer Onkel jene des «dominierenden Meisters», sein Sohn jene des «Königs», meine Patin jene der «Weisheit», eine Cousine die stumme Rolle der Einsiedler Mutter Gottes, meine Schwester die Hauptrolle als «Schönheit», mein Bruder dreimal die «Rolle des Bauern», später jene des «Königs» und so weiter und so fort. Andere Geschwister agierten in verschiedenen Statistenrollen oder spielten Musik … So könnte ich noch viel aufzählen. In diese Familie und Welt wurde ich hineingeboren. Als Kinder haben wir auf der Matratze «Welttheater» gespielt, der Hut des Vaters war die Krone, die Wolldecke der Purpur des Königs. Ich bin mit dem Welttheater aufgewachsen und alt geworden.

In diese Familie und in diese Welt wurde ich hineingeboren.
Es ist eine lange Geschichte.

Das ist aber noch nicht dein Verdienst als Ehrenmitglied?

Als meine Schwester 1950 den Solistenpart «der Schönheit» spielen durfte, erwachte in mir der Wunsch, selbst eine Hauptrolle spielen zu dürfen. Mit 14 Jahren startete ich 1955 als «Bettlerjunge» und 1960 sang ich in den Reihen des «Reichenchors». 1964 prüfte mich Erwin Kohlund, der Regie führte, ob ich für eine Solistenrolle geeignet wäre. Ich bewährte mich und wurde so in den Jahren 1965/70 in die Rolle des Bauern eingeführt. Dass ich diese auch unter der Spielleitung von Dieter Bitterli in den Jahren 1987 und 1992 erneut spielen durfte, erfüllte mich mit grosser Freude. Eine spezielle Herausforderung war für mich die Darstellung des «Überflusses» in der Inszenierung von Hansgerd Kübel 1981. Zur Saison 2000 schrieb Thomas Hürlimann eine Fassung, die der damaligen Aktualität entsprach. Sie wurde mit der Inszenierung von Volker Hesse zu einem speziellen Erlebnis, für Zuschauer und Spielende. Ich werde nie vergessen, wie mich der Regisseur hartnäckig auf die kontroverse Rolle des «dicken Scholars», eine Art Wanderprediger, vorbereitete.

2007 erlaubte meine Gesundheit nur noch eine kleine Rolle und 2013, in der Inszenierung von Beat Fäh, stand ich in einer Statistenrolle und ohne Text auf dem Platz, aber der Spielvirus war da und wird es wohl immer bleiben.

58 Jahre mitwirken im Welttheater
und eine unveränderte Spiellust

 

Du hast also während rund 58 Jahren in jeder Saison mitgewirkt?
 

Ja. Und so wurde ich zum Ehrenmitglied. Das Welttheater hatte viel Gewicht in meiner 60-jährigen, kulturellen Tätigkeit. Zudem brachten mir die Vorbereitungen und Einsätze die deutsche Sprache auf eine spezielle Art und Weise näher.

Was faszinierte dich?

Das Stück wird so aufgeführt, dass das Volk versteht, um was es geht.

Um was geht es?

Calderon verfasste das Stück auf der Basis vom Leben und Sterben des Menschen am Beispiel verschiedener Figuren, wie zum Beispiel dem König, dem Bauer, der Schönheit, der Weisheit (Nonne) und dem Bettler. Der Schlusspunkt gehört dem Meister, welcher beurteilt, wie die Menschen ihr Leben gestaltet haben in den verschiedenen Figuren.

Weisst du schon etwas zum aktuellen Spielplan?

Ja, dank dem guten Kontakt zu Lukas Bärfuss. Es gibt ein Vorspiel, die Durchsage auf Englisch, Spanisch und Deutsch sagt: «Das Spiel findet nicht statt.» Doch die Kinder Emanuela und Paolo rufen: «Wir wollen spielen!» Mehr will ich nicht verraten …

Kein Spiel für die Kinder

 

Dass seine Kinder der Tradition nicht folgen und sich nicht aktiv am Welttheater beteiligen, betrübt Karl Hensler nicht. «Das ist der Zeitenlauf», sagt er. Tochter und Sohn wohnen mit ihren Familien nicht im Klosterdorf.

Die Leute vor Ort fragen ihn, ob er wieder spiele. «Nein, ich spiele, spreche und singe nicht mehr.» Es sei jedoch möglich, dass er für das Publikum Spieleinführungen mache, erzählt er.

Mit dem Textbuch in der Hand verfolgt er die Proben. Die Texte habe er nie auswendig, sondern immer inwendig gesprochen und beherrsche sie bis heute.

Karl Hensler:
Das Welttheater sein Leben. Einsiedeln seine Heimat.

Am 21. April 2024, um 11 Uhr, erzählt Karl Hensler – anlässlich des Schwyzer Kulturwochenendes im «CafeLaden» Schwyz – über Erfahrungen und Erlebnisse aus seiner rund 60-jährigen Aktivzeit beim Welttheater.

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