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Warum ich zum Verleger geworden bin

Von Dominik Riedo, Schriftsteller und (noch) Verlagsleiter

Im Jahr 2022, mit 47 Jahren, bin ich zum Verleger geworden. Also eigentlich bin ich zum Verlagsleiter geworden. Das ist eine wichtige Unterscheidung – Sie werden sehen, warum. Und das kam so:

     Den Verlag Pro Libro gibt es in Luzern in seinen Vorformen seit den 1990er Jahren (als Buchreihe bei Verlagen), die eigentliche Gründung des so genannten Verlags war dann 2006. Peter Schulz leitete und besass ihn von der Gründung bis 2014, danach gab es etliche schnelle Wechsel und Gerangel, sowohl in der Leitung als auch beim Besitz. Schliesslich gehörte der Verlag im Januar 2022 der Verlagsleiterin, Therese Schilter-Oberli, die in jenem Monat völlig überraschend verstarb.

     Nun würde man vielleicht denken, dass in so einem Fall unzählige Angebote an die Erben gegangen sein müssten, den Verlag zu übernehmen. Aber entweder hatte sich das noch nicht herumgesprochen oder – das ist eher meine Vermutung – es hat sich herumgesprochen, dass ein kleinerer Verlag nicht wahnsinnig lukrativ ist. Auf jeden Fall fand sich niemand, und die Erbengemeinschaft wollte den Verlag schlicht auflösen. Erst da meldete ich mich. Warum erst dann? Ich hoffte, dass es jemand anderes machen würde.

     Denn wissen Sie, ich bin eigentlich nicht zum Verlagsleiter geboren. Ich schreibe ganz gerne und nenne mich seit 2003 Schriftsteller, seit 2007 bin ich es ausschliesslich – wenn man von den fünf Stellenprozenten absieht, die ich nun als Verleger arbeite. Warum fünf Stellenprozente, meinen Sie?

     Das kam so: Eigentlich hätte ich den Verlag Pro Libro von der Erbengemeinschaft auf Anraten von Peter Schulz, der mir gewissermassen ein mündliches Fähigkeitszeugnis ausstellte, geschenkt haben können. Aber nachdem ich durchgerechnet hatte, was ein Lager für all die noch vorliegenden Bücher der Backlist kosten würde, was ein Finanzfachmann für die Steuererklärung Ende Jahr, was Druckkosten für neue Bücher und wie viel Gestalter haben müssen, damit sie sich nicht selbst ausbeuten, habe ich gesehen, dass das so nicht geht. Ich wäre im besten Fall finanziell gerade eben rausgekommen, im schlechteren Fall hätte ich jährlich 10’000 Franken Schulden gemacht. Und den schlimmsten Fall mochte ich mir nicht vorstellen.

     Trotzdem liess es mein Kopf nicht zu, einen Verlag, den es bereits seit 16 Jahren gegeben hat und der alles in allem eine Backlist von etwa 100 Büchern vorweisen konnte, einfach eingehen zu lassen. Das Absterben des Verlags Wallimann und von Ars Pro Toto waren mir noch gut in Erinnerung (letzterer ist ja nun in anderer Form wiedererstanden). Die Zentralschweiz brauchte einfach weiterhin einen (nun eher) mittelgrossen Verlag, der Bücher bringen konnte, die sonst kaum verlegt würden.

     Ich machte mich also auf die Suche nach einer Lösung. Und die war denkbar einfach: Ich nahm Kontakt zu diversen Schweizer Verlagshäusern auf und fragte sie, ob sie bereit wären, den Verlag Pro Libro zu kaufen, um ihn als Imprint zu führen und mich selbst – zumindest für eine Übergangszeit – als Verlagsleiter einzusetzen. Und tatsächlich gab es innert kürzester Zeit einen, der Ja sagte: Der Weber-Verlag, der zuvor etwa den Werd-Verlag von Zürich ganz geschluckt hatte, war dazu bereit.

     Warum, mag man sich fragen, wenn doch die laufenden Kosten so hoch sein können? Aber das ist eben das Gute bei einer solchen Lösung, darum hatte ich danach gesucht: Bei einem bereits etablierten Verlag, vor allem bei der Grösse wie beim Weber-Verlag, bestehen Lagerkapazitäten sowieso. Der Weber-Verlag publiziert um die 120 Titel im Jahr, da fallen die Produkte des Imprint-Verlags nicht so sehr ins Gewicht. Dasselbe bei den Fachkräften: Er hat nicht nur Finanzexperten, sondern auch gleich Polygraphen, Gestalterinnen, Lektoren und Werbefachkräfte angestellt, alles in allem etwa 40 Mitarbeitende.

     Das lässt auch mögliche Veröffentlichungen bei Pro Libro preiswerter aussehen. Wenn man Lektoren, Gestalterinnen und Polygraphinnen nach Preisen in house zahlen kann, also nicht derart viel, wie es bei externen Aufträgen kostet, sehen mögliche Buchprogramme gleich besser aus. So war es auch möglich, im ersten Programm seit dem Re-Start gleich sechs neue Buchtitel zu bringen, leicht mehr, als früher in einem ganzen Jahr. Denn jetzt als Imprint wird es jährlich zwei Programme geben, ein Frühlings- und ein Herbstprogramm. Mit je mindestens sechs neuen Titeln. Dazu sollen sich Nachdrucke von bereits vergriffenen Backlist-Büchern gesellen.

     Alles in allem kann sich der Verlag so mehr als sehen lassen: Der Buchtitelausstoss, wenn ich ihn mal so nennen darf, ist mindestens drei Mal so hoch wie zuvor; dazu werden die Auflagen höher sein als bisher. Denn durch die Anbindung an Weber verfügt Pro Libro nun auch über Buchhandelsvertreter in Deutschland und der Schweiz, über eine riesige Liste von Mailadressen, über Werbemöglichkeiten, die alles Bisherige übersteigen, und auch über bessere Konditionen für die Kunden: Es wird schneller ausgeliefert werden können, dazu entstehen bei Lieferungen keine Versandkosten etc. usw.

 

Trotzdem überlege ich mir, nach den drei vertraglich vereinbarten Jahren (2022 bis 2024) als Verlagsleiter aufzuhören. Warum eigentlich, wenn es derart gut läuft? – Nun, wie gesagt, ich fühle mich vor allem als Schriftsteller berufen. Zwar als einer, der sich intensiv in die Kulturpolitik einmischt und immer schon auch Möglichkeiten zur Verbesserung des Kulturlebens allgemein gesucht hat, etwa durch die Erfindung des Labels «Kulturhauptstadt der Schweiz» (siehe kulturhauptstadtderschweiz.ch), aber eben doch hauptsächlich als Schriftsteller.

     Aus dieser Perspektive hat es an sich von Anfang an wenig Sinn gemacht, mich auch noch als Verleger zu engagieren. Aber ein Punkt war mir eben wichtig: Die Erhaltung dieses Verlags Pro Libro für die Zentralschweiz. Hätte ich mich damals nicht bei den Erben gemeldet, wäre der Verlag nun abgewickelt und der Name einer jener vielen, die bereits nach kurzer Zeit wieder eingegangen sind. So aber besteht der Verlag nach meinem möglichen Abgang 2024 (vermutlich werde ich für die Buchakquise weiterhin mit zuständig bleiben) immerhin schon 18 Jahre, als Buchreihe sogar bereits 27 Jahre. Und die Gründung der Stiftung, die den Verlag in den Anfangsjahren unterstützt hat und spezifisch dafür geschaffen worden war, liegt dann bereits 33 Jahre zurück. Was alles in allem meint: Damit hat dieser zu Beginn eher kleinere Verlag, der jetzt als Imprint ein mittelgrosser Verlag wurde, auf Jahre hinaus noch gute Chancen, bestehen zu bleiben. Und wenn er nur noch fünf Jahre bestehen sollte, so hat er dann zumindest quasi ein Vierteljahrhundert bestanden, und das wäre immerhin etwas.

     Die annähernd 200 Bücher, die dann veröffentlicht sein werden, dürften es dem Verlag danken. Und das Lesepublikum auch.

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